Das Geheimnis der Mathe-Asse
Wie lernt man Mathe? -Teil 2

Im letzten Artikel hatte ich schon über einen sehr wichtigen Punkt beim Mathe lernen berichtet: über das Verstehen. Das Verstehen ist ein sehr kritischer Aspekt im Lernprozess, reicht aber nicht aus, um gute Noten zu bekommen. Dafür sind noch zwei weitere Aspekte wichtig, nämlich Training und Wissen. In diesem Newsletter soll es ums Training gehen.

Zu meinen Schülern sage ich gerne: “Mathe ist wie Sport.” Denn dieser Vergleich veranschaulicht am besten die Problematik. Nur weil ich verstanden habe, wie Fußball funktioniert, und die Regeln dazu gelernt habe, lassen die mich noch lange nicht bei der Bundesliga mitspielen. Die meisten meiner Schüler lachen, wenn ich das sage. Aber gleichzeitig versuchen sie auf die gleiche Art in der Bundesliga der Mathematik mitzuspielen, dem Gymnasium. Was ich damit sagen will, ist, dass es ohne Training nicht funktioniert. Selbst wenn ich die Mathematik gut verstanden habe und alles nachvollziehen kann und mir auch alles logisch erscheint, heißt das noch lange nicht, dass ich auch gute Noten in der Schule schreibe. Denn dazu brauche ich ein gewisses Maß an Übung.
Allerdings führt nicht jede Übung zum Ziel / Doch nicht jede Übung führt zum Ziel. Und es geht auch nicht darum, möglichst viel Zeit ins Üben zu stecken, nach dem Motto: „Viel hilft viel“. Um Resultate zu sehen, muss man auf die richtige Art üben. Und das geht so:
• Kontinuierlich üben
• Häufig statt lange
• Rechtzeitig üben
• Schwierigkeitsgrad steigern
Beim Sport leuchtet es uns ein, dass wir regelmäßig ins Training gehen müssen, um besser zu werden. In Mathe praktizieren die meisten Schülerinnen und Schüler das Gegenteil. Sie lernen zwei bis drei Tage vor einer Arbeit oder Prüfung mehrere Stunden am Stück. Das wäre auf den Sport übertragen folgende Situation: Ein Sportler trainiert wochenlang überhaupt nicht und zwei Tage vor dem Wettkampf geht er Joggen, ins Fitnessstudio und trainiert mit seiner Mannschaft oder seinem Trainer. Dass dieser Wettkampf verloren ist, leuchtet jedem ein. Bei einer Mathearbeit sorgt dasselbe Verhalten für Verwunderung: „Ich hab doch so viel gelernt…“
Ähnlich wie beim Sport, verfolgen wir beim Matheüben mehrere Zwecke. Das Gelernte wird gefestigt. Das heißt, ein neuer Rechenweg oder ein neues Verfahren wird beim Üben auswendig gelernt. Je häufiger man ihn durchführt und je mehr verschiedene Variationen man gerechnet hat, desto einfacher kann man sich den Weg merken. Das funktioniert wesentlich besser durch Übung und Training als durch stupides Auswendiglernen. Hintergrund ist folgender: Wenn ich etwas auswendig lerne, benutze ich dazu im Normalfall mein „Denkhirn“ (genauer: System 2, also das logische Denken, das im Neocortex angesiedelt ist). Wenn ich es jedoch durch Training und Wiederholungen mit Variationen abspeichere, dann landet es in meinem Unterbewusstsein (genauer: System 1, im limbischen System). Diesen Prozess nennt man auch automatisieren. Wir kennen das vom Autofahren. Während wir uns zu Beginn noch ziemlich darauf konzentrieren mussten, auf welches Pedal wir jetzt treten sollen, hat sich das nach einiger Übung im Normalfall automatisiert und kann auch nach längerer Zeit wieder genutzt werden. Selbst, wenn man über Jahre hinweg nur Automatik fährt, findet man leicht wieder hinein, bei einem Schaltwagen die Kupplung zu treten und ohne Überlegen zu schalten.
Auf neurophysiologischer Ebene steht dahinter das Ausbilden neuer Synapsen und die Bildung von Myellinschichten. Diese Prozesse kosten unser Gehirn viel Energie, deshalb werden sie nur in wichtigen Fällen gemacht. Was wichtig ist und was nicht, entscheidet unser Hirn unter anderem aufgrund der Häufigkeit, in der eine Situation auftritt, nicht aufgrund der Länge der Situation. Wenn ich also häufiger Matheaufgaben mache, dafür aber immer nur kurze Zeit, werden eher neue Synapsen gebildet, als wenn ich nur einmal mehrere Stunden am Stück lerne.
Zu spät mit Üben anzufangen bringt noch weitere Nachteile mit sich. Der Matheunterricht ist so aufgebaut, dass die Themen aufeinander aufbauen. Anders als beispielsweise in Biologie oder Gemeinschaftskunde, wo die Themen zwar sinnvoll aneinandergereiht sind, aber durchaus einzeln gelernt werden können, steigt man in Mathe schnell aus, wenn der Stoff von der letzten Woche nicht richtig sitzt. Da lernt man beispielsweise die Ableitungsregeln in Woche 1 und in der folgenden Woche muss man sie anwenden, um die Steigung einer Funktion zu berechnen. In Woche 3 nutzen wir das Gelernte, um Hoch- und Tiefpunkte zu berechnen und so weiter. Wartet man bis zur Klassenarbeit, um dann vermeintlich zeitsparend alles innerhalb von 2 bis 3 Lerntagen nochmal durchgehen möchte, fehlt natürlich das ganze Verständnis ab dem Stoff der zweiten Woche. Die Einstiegsaufgaben vom Anfang klappen ganz gut, aber alles Darauffolgende muss hart und mit viel Zeiteinsatz erarbeitet werden. Mit Kapitel eins von zehn kann man halt keine gute Klassenarbeit schreiben. Wenn du dich aber sofort in Woche 1 hinsetzt und den neuen Stoff trainierst, z.B. ableiten übst bis sie automatisiert ablaufen, dann bist du in der zweiten Woche im Unterricht nicht mehr damit beschäftigt, dich an den Stoff aus Woche 1 zu erinnern, sondern kannst dich auf das Wesentliche vom neuen Thema konzentrieren. Auch hier kann man eine Parallel zum Autofahren ziehen. Wenn ich noch zu sehr damit beschäftigt bin, zu schalten und auf die Kupplung zu treten, kann ich mich viel schlechter auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren.
Das frühzeitige Lernen ist außerdem zeitsparend. Automatisierte Prozesse kosten unser Gehirn wenig Energie und es kommt bei neuem Lernstoff nicht zum kognitiven Overload. Ein großer Teil des Lernens kann dann tatsächlich im Unterricht stattfinden, weil man dem Lehrer einfacher folgen kann und nicht an den Rechenwegen der letzten Woche „hängenbleibt“. Außerdem kann man Übungsaufgaben im Unterricht schon selbstständig lösen und die Unterrichtszeit als Trainingszeit nutzen. Vor der Arbeit braucht man dann keinen Lernmarathon und kann entspannt ein paar Aufgaben zur Vorbereitung rechnen.
Zu guter Letzt muss beim Üben in Mathe beachtet werden, dass man die richtigen Aufgaben macht. Anfangen sollte man mit einigen leichten Einstiegsaufgaben (z.B. Gute-Nacht-Aufgaben von deinem Nachhilfelehrer) mit einfachen Zahlen, um den Rechenweg zu verinnerlichen. Dann sollte man zügig einige Variationen einbauen, z.B. mit Brüchen rechnen oder sich Aufgaben aussuchen, die Sonderfälle darstellen, weil z.B. irgendetwas fehlt oder dazukommt. Wenn der Basic-Rechenweg klappt, dann muss man anspruchsvollere Aufgaben machen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit anderen Themen vernetzt sind, oder dass „rückwärts gerechnet“ werden muss, denn diese Aufgaben sind dann diejenigen die in den Klassenarbeiten oder in der Prüfung drankommen.

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